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Begriffsklärung

„Digital“, „Marke“ und „Führung“: Beim „Anklicken“ jedes dieser Keywords öffnet sich eine riesige Zahl zuzuordnender Begrifflichkeiten. Jedes Einzelne der Themen ist derartig interessant, ergiebig und so umfassend fächerumgreifend, dass der eigentlich hilfreiche Versuch, sie einzugrenzen, paradoxerweise ein Hindernis darstellt. Trotzdem ist es notwendig, weil ansonsten eine mehrtausend-, wenn nicht millionenseitige Enzyklopädie entstünde.

Beginnen möchte ich mit dem Begriff der Marke.

Am Anfang war Erregung.

Die meisten Bücher, die von Marken, Markenmanagement und digitaler Markenführung handeln, öffnen mit einem Kapitel, das sich der Definition des Markenbegriffs widmet. Auch ich will mich dieser Systematik nicht gänzlich verschließen. Jedoch wage ich einen anderen Weg zu beschreiten, weil die üblichen Definitionen nach meinem Dafürhalten zu sehr an der Oberfläche bleiben. Die entscheidenden kognitiven, kulturellen und physiologischen Kategorien, die von den Zielen des Markenkonstrukts – nämlich des bedarfs- und lustorientiert entscheidenden und handelnden, lebendigen Menschen – ausgehen, werden dabei regelmäßig vernachlässigt. Ohne sie lässt sich aber das Phänomen Marke nicht wirklich ergründen, weil aus den genannten Tiefenstrukturen diejenigen Dispositionen folgen, die für das Markenmanagement – ganz besonders aber für die digitale Markenführung – von so enormer Bedeutung sind, insofern sie das gesamte Fühlen, Wollen, das Wünschen, die Sehnsüchte und Bedürfnisse von Menschen mit einschließen.

Wie bei allen historisch gewachsenen Phänomenen (als Beispiel sei das auf den ersten Blick so spröde Steuerrecht genannt) erleichtert das Wissen über die Historie eines komplexen Begriffs dessen Nachvollziehbarkeit in der Gegenwart und ist somit eine reichhaltige Toolbox für die kreative und nachhaltige Gestaltung der Zukunft.

Das Wort „Marke“ wird in unzähligen verschiedenen Zusammenhängen verwendet, die auf seine ursprüngliche Bedeutung hinweisen. Diese Bedeutung wurde mit der Zeit durch eine Reihe von Faktoren angereichert, die sich in sprachlichen, praktischen und semantischen Wechselbeziehungen zu ihm befanden und ihn schließlich zu dem machten, als was er uns heute entgegentritt: Als kommunikatives Symbol, innerhalb dessen sich die Versprechungen und Verheißungen eines Produktes, einer Firma, eines Firmenverbunds oder einer Branche verdichten. Wie z.B. die zwei roten, übereinander liegenden Wellen eines weltbekannten Getränkeherstellers. Oder ein stromlinienförmiger Haken … Doch hierzu später mehr.

Betrachten wir also die Bedeutungen und Bedeutungsänderungen, die dem Begriff der Marke seit dem von der Sprachforschung ermittelten Beginn seines Bestehens widerfahren sind.
Es begann im Innersten Afrikas. Dort erregte einst ein Objekt die Aufmerksamkeit eines vorüberschreitenden Frühhominiden. In seiner Aufregung muss er so etwas Ähnliches wie „merk!“ gerufen haben – zumindest deuten darauf die neuesten Ergebnisse der Sprachforschung hin. Was aber war es, das dieses Wesen so erregte? War es ein Stachel? Ein Brand? Oder ein betörender Duft als riechbares Zeichen einer roten, giftigen Blüte?

Und obschon noch niemand auch nur das Geringste von Digitalisierung ahnen konnte, so wies doch auch jene erregende Erscheinung exakt dieselben Merkmale auf wie die heutigen, im digitalen Markenkonstrukt ausgehandelten. Denn der Hominid, seines Zeichens Pionier auf dem Gebiet der Wortschöpfung, musste den Grund seiner Erregung mitsamt dem ihm hierzu eingefallenen Laut erst seinen Artgenossen erklären. Doch offensichtlich leuchtete es den anderen ein – anderenfalls nämlich jenes „merk!“ nie und nimmer ins gemeinsame Sprachinventar integriert worden wäre.
Jahrtausende später begannen germanische Stämme, die von ihnen beanspruchten Gebiete mit großen Steinen zu markieren. Damit es sich auch wirklich jeder merken konnte, nannten sie die Steine „merg“. Offensichtlich hatten sie entweder bei ihren afrikanischen Vorfahren abgekupfert, oder aber diese Lautkombination ist dem Menschen im Angesicht des Besonderen per se angeboren. Ernstzunehmende Quellen vermuten jedoch, dass der in Afrika beheimatete Laut über den Kaukasus bis Mitteleuropa kam und sich von dort aus weiter verbreitete. Denn auch die Römer nannten schon bald ihre Grenzmarkierungen „marcae“.

1373 wurde die Mark Brandenburg mitsamt ihrer Teilmarken, Neumark, Prignitz, Uckermark und Mark über der Oder dem Heiligen Römischen Reich eingegliedert. Im Französischen wurde 1456 die Marke als „signe mis sur un objet pour le rendre reconnaissable, pour marquer la propriété“ (Zeichen, das zum Zwecke der Erkennung des Eigentümers auf einem Objekt plaziert wurde) definiert und kehrte dann in Form des „Marquis“ als Vorsteher eines Grenzgebiets wieder. Dem Marquis entspricht der deutsche Markgraf, der für die Überwachung und Verwaltung der Grenzregionen verantwortlich war.

Im Diktionär der spanischen Sprache aus dem Jahr 1495 wird „marquar“ mit „signalisieren“ gleichgesetzt. Entscheidendes für die heutige Bedeutung des Markenbegriffs hat das englische Wort „brand“ beigetragen, das seit dem 16. Jahrhundert das Aufbrennen eines den Eigentumsanspruch symbolisierenden Signums auf der Haut eines Nutztieres bedeutete. Jeder kennt Wegmarken, Briefmarken, Rabattmarken u.v.m. Pflanzenblüten besitzen sogenannte Saftmale, farbige Markierungen auf den Blütenblättern, die Insekten den Weg zur Nahrung weisen. Der Duft von Blüten hat auf Menschen eine erregende Wirkung. Tiere markieren ihr Revier mit Duftmarken. Gemeinden befinden sich auf Gemarkungen. Die D-Mark bezeichnete ebenfalls einen klar definierten Bereich, innerhalb dessen diese großartige Währung sich bewährte und auf dessen Grundlagen sie aufbaute. Zuvorderst waren dies die Unabhängigkeit von der Politik und das Versprechen der unbestechlichen Zuverlässigkeit und absoluten Geldwertstabilität.

In allen Fällen beschreibt der Begriff das Format der Grenzziehung bzw. Einhegung und Umzäunung eines bestimmten Bereichs, innerhalb dessen sich unter bestimmten Bedingungen bestimmte Dinge ereignen, bereits ereignet haben und erwartungsgemäß ereignen werden. Hierbei basieren die Ausprägungen der zukünftigen Ereignisse zwar auf der bisherigen Historie, müssen diese aber nicht zwingend wiederholen. Sie stehen aber in der wie auch immer gearteten Tradition der bisherigen Ereignisse, die auch immer auf einen bestimmten Zweck gerichtet waren, sind und bleiben. Allerdings ist die Sicherheit bzw. Verschlossenheit der Bezirksgrenzen nicht dasjenige Merkmal, das die Marke ausmacht. Vielmehr kann auch die Durchlässigkeit, ja die vollständige Offenheit des Geheges, in dem die Marke existiert und ihre Geschichten erlebt und erzählt, ein für eben diese Marke konstituierendes Merkmal sein. Entscheidend ist zum einen der offensichtliche, objektive Unterschied als Eigenschaft zum Zwecke der Wiedererkennung; noch wichtiger aber ist der gefühlte, also subjektive Eindruck von Unterschiedsmerkmalen, der sich in der soziokulturell und semantisch bedingten Interpretation des Betrachters vollzieht.

Es fällt auf, dass sich der Markenbegriff von einem klar und objektiv feststellbaren Objekt, nämlich der physischen Grenzmarkierung, über die vom gekennzeichneten Objekt losgelöste Markierung hin zu einem Konstrukt entwickelt hat, dessen Bedeutung im zwischenmenschlichen Diskurs ausgehandelt wird – eine Entwicklung, die sich interessanterweise mit dem technischen Fortschritt vollzog, der durch die Übertragung menschlicher Arbeitskraft an Maschinen gekennzeichnet war: Zuerst betraf sie rein muskuläre Verrichtungen, später kamen Schreibmaschine und Telefon, und schließlich wurden im Zuge der Digitalisierung zerebrale Tätigkeiten in Maschinen ausgelagert.

Was die Marke betrifft, war also zuerst der Stein. Er selbst war das Zeichen. Dann wurde das Ding markiert respektive Bezeichnet: Die Geburtsstunde des (Marken-)Logos. Am Ende löste sich die Marke ganz vom Objekt und wurde zum allein in der Vorstellung existierenden, virtuellen Gegenstand der Kommunikation. Damit entspricht die Evolution des Markenbegriffs seiner Wanderung vom ursteinzeitlichen Afrika bis zum Big Data des World Wide Web. Am Anfang war ein Ding – eine Pflanze, ein Tier oder was auch immer – das den Betrachter erregte, anregte oder aufregte. Es geschah ohne jede bewusste Absicht. Es war einfach da und erregte. Wen auch immer. Im Fall der Grenzmarke wurde das auffallende, bezeichnete und begreifbare Ding jedoch ganz bewusst als Zeichen der Grenze verwendet. Am Ende der Entwicklung steht die Marke als Zeichen – als Symbol, dessen Beziehung zum Bezeichneten beliebig ist, und dessen Bedeutung kommunikativ ausgehandelt werden muss.

Dass z.B. zwei übereinander liegende rote Wellenformen gemeinhin mit einem braunen Erfrischungsgetränk assoziiert werden, hat weder mit der Welle an sich noch mit der Farbe Rot auch nur im Entferntesten etwas zu tun. Und auf die Idee, dass ein noch so elegant designter Haken den Menschen zu sportlichen Extremen motiviert, käme man nie und nimmer, wüsste man nicht von einer Firma, die ihren Hauptsitz in einem Kaff in Oregon hat, in dem nicht einmal hunderttausend Menschen leben – vermutlich wären es ohne den Haken noch wesentlich weniger.

Aber auch dieses „Ende“ ist nur als vorläufig zu betrachten. Die Digitalisierung hat eine Dynamik entfesselt, die es erfordert, Marken immer wieder neu zu justieren und neu zu bestimmen. Auch der momentane Blick auf den Begriff der Marke ist eben nur eine Momentaufnahme.

Wir sind erst am Anfang.

 

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