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Ich beschrieb Kultur als ein Orientierungssystem, das für eine Gruppe von Menschen gilt und deren Handeln, Fühlen, Bewerten und Denken bestimmt. Kultur ist sozusagen die „mentale Software“ einer Gesellschaft. Übertragen wird sie durch Symbole. Ihr Kern besteht aus traditionellen, historisch gewachsenen und begründeten Ideen und Werten.
Wenn von Kultur gesprochen wird, muss deshalb quasi im selben Atemzug der Begriff des Mythos fallen. In Mythen und Mythologien verdichten sich die Potentiale und Ideale von Kulturen – und Marken.
Die Antwort ist: Zu hundert Prozent. Und zwar, weil Marken als Persönlichkeiten wahrgenommen und vermarktet werden, als beseelte Individuen. Das, was wir als Persönlichkeit einer Marke wahrnehmen, reicht über das Eigentliche – nämlich den rein physischen und/oder pekuniären Wert weit hinaus, genau wie beim Menschen.
Die rein physische Person ist nur Trägerin oder Inhaberin einer Persönlichkeit, die sich durch ganz eigene Charaktereigenschaften, Gewohnheiten, Fehler und Fähigkeiten auszeichnet, die wir als sympathisch, nützlich, abstoßend oder trivial usw. usf. empfinden. Und es gibt Eigenschaften und Fähigkeiten, zu denen wir, ohne eine Person kennen zu müssen, aufschauen und die wir bewundern. Typischerweise handelt es sich hierbei um von den Medien als solche kommunizierte Stars aus der Show- und Sportbranche, aus der Politik und aus der Wirtschaft.
Geschichten von Lösung und Erlösung
Mythen haben für Gesellschaften und Kulturen eine Initialfunktion. Indem die Menschen zu ihnen aufschauen und Legenden um sie ranken, werden sie zu Katalysatoren von Hoffnungen und Träumen.
Wer kann sich noch an den legendären Chrysler-Sanierer und Bestsellerautor Lee Iacocca erinnern? Indem er den Mythos Chrysler zu neuen Höhen führte, wurde er selbst zum umjubelten Mythos. Zum legendären Vorbild.
Oder das Flüchtlingsmädchen aus Syrien, das an den Schwimmwettbewerben der Olympiade in Rio de Janeiro teilnahm. Aus den Trümmern ihrer Heimat geflohen … und als das Schlauchboot mitsamt Besetzung kenterte, zog sie es gemeinsam mit ihrer Schwester, ebenfalls eine gute Schwimmerin, durch die nächtliche Ägäis zu den rettenden Ufern einer griechischen Insel. Was für ein wunderschöner Mythos! Demnächst wird er wohl in Hollywood verfilmt.
Selbst der Refugee wird so zur Marke.
Besonders im Sportbereich zeigt sich, wie stark das Persönlichkeitsparadigma in das Markenkonstrukt hineinspielt. Niemand denkt mehr an Troja, wenn Robert Lewandowski den FC Bayern München in den Himmel der Champions League schießt.
Fußballvereine leben von und durch ihre Mythen. Der seit Jahrzehnten ziemlich erfolglose Revierverein Schalke 04 zehrt, obschon seine letzte Deutsche Meisterschaft auf das Jahr 1958 datiert, bis heute von seinem Mythos als Malocherverein. Nach wie vor sind es Ehrlichkeit, Authentizität und Opferbereitschaft, die treue Fans mit dem Club assoziieren. Uralte Tugenden, nach denen die Menschen sich sehnen.
Natürlich kann Tradition hilfreich sein, ist heute aber nicht mehr unbedingt nötig. Mythen können auch „aufgepflanzt“ werden.
So verhält es sich z.B. beim Rasen-Ballsport Leipzig, der, da keine Historie vorhanden, vom Mythos seines Sponsors Red Bull profitiert, der dank äußerst erfolgreicher Markenführung zum unumstrittenen Spitzenreiter beim Sportmarketing, insbesondere von Risikosportarten avancierte.
Die 24 Stunden von Le Mans. Die Tour de France. Das Radrennen des Irrsinns von Paris nach Roubaix. Mensch und Material gemeinsam gegen die Unbilden des Unvermeidlichen.
Die Marke des Fahrrads, das die Strapazen dieser Rallye durch Schlamm und Kopfsteinpflaster übersteht und am Ende den abgekämpften Sieger über die Ziellinie trägt, wird fast unweigerlich zum Mythos.
Die Reifenfirma, der Rahmenhersteller, der professorale Produzent, ein Daniel Düsentrieb der Schaltelemente als geniales Mastermind. Jeder profitiert von der Annahme der Herausforderung und von erfolgreich gemeisterten Härten. Der Wert der Marke steigt proportional zum Image und der Nachfrage nach ihren Produkten.
Typisch auch der Mythos vom Abgeschriebenen, der wie Phoenix aus der Asche zu neuen Horizonten aufbrach, der Gefallene, der wieder aufstand, ganz allein. Und der es allen zeigte. Der Tellerwäscher, der zum Millionär wurde.
Längst haben Markenlegenden mit den Heldenmythen von einst gleichgezogen. Schließlich basieren sie auf demselben Prinzip: Immer geht es beim Mythos, wie bei der Marke, um eine Erzählung, ein überliefertes und überlieferbares Narrativ, das so beliebt ist und so eine immense Anziehungskraft ausübt, weil sich die Menschen massenweise mit ihm identifizieren und ihm nacheifern.
Viele Markenmythen berichten von besonderen Leistungen, von Leiden, die dank heldenhafter Leistungsfähigkeit geheilt und überwunden wurden. Sie erzählen von schwierigen, komplizierten Aufgaben, die dank des Markenprodukts gelöst werden konnten.
Lösung und Erlösung: Die Marke erfüllt Sehnsüchte, das Warten hat ein Ende, alles wird gut. All das verheißt der Mythos der Marke: Dank heldenhafter Überwindung eines Makels besser, schöner, edler und leistungsfähiger werden zu können. Ausdauer, Zähigkeit, Bereitschaft und Glück. All das ist Teil eines Markenmythos, von dem sogar Toilettenpapier, Damenbinde und Pickelcreme ihre befreienden und problemlösenden Attribute ableiten.
Die Marke wird Teil der Persönlichkeit ihres Kunden.
Davon unberührt bleibt die Tatsache, dass auch hier das Aushandlungsparadigma Priorität hat. Ein Sportler, der sich in der Öffentlichkeit desavouiert, verliert sofort an Wert, es sei denn, sein mieses Image gehört zu seinem Markenkern. Dieser Kern ist seine Identität, die auch in seinem Mythos gründet. Mit ihm hebt er sich von den anderen ab und wird unverkennbar. Von dem Formel -1-Fahrer Carlos Montoya erzählte man sich schon bald, er sei ein ganz übles „A…“ Dies tat aber seinem Image als hochbegabtem Kraftfahrer keinen Abbruch. Ganz im Gegenteil verstärkte der üble Ruf noch den Mythos vom aggressiven, zielstrebigen Winner und begünstigte seine Differenzierbarkeit und Identifizierbarkeit. Trotz – oder gerade wegen – seines ätzenden Wesens wurde er zum Held.
Nicht anders verhält es sich mit Marken, die in das Rennen geschickt werden, der Wettbewerb heißt. Ohne Identifizierbarkeit fährt die Marke nicht weit, und wenn keiner da ist, der Pannenhilfe leistet, bleibt sie liegen. Deshalb macht es auch bei neuen oder unbekannten Marken großen Sinn, ihnen einen Mythos zu erfinden, ihnen eine Legende anzudichten.
Das Ersinnen von Mythen, Produktaussagen und Markenbotschaften als Zutaten des Markenkonstrukts ist das Geschäft von Werbeagenturen. Die hier entwickelten Inhalte werden im Zuge der digitalen Markenführung in den globalen Diskurs eingespeist, wo sie wieder zu Gegenständen der so fruchtbaren, für die Herausbildung der die Marke von anderen Marken unterscheidenden Identität bestimmenden Aushandlungsprozesse werden.
Apropos: Das Aufkommen der New Economy belebte jenen Heldentypus wieder, der auch für das deutsche Wirtschaftswunder verantwortlich war. Bis heute bezieht sich das Unternehmen Hewlett-Packard auf seine Gründung in einer Garage durch Bill Hewlett und Dave Packard.
Obwohl sich ihre Arbeit um so spröde Themen wie das Programmieren von Computern oder die Herstellung von Bürobedarf drehte, machte sie ihr kometenhafter wirtschaftlicher Aufstieg nebst rapide eintretendem, sagenhaftem Reichtum zu legendenumwobenen Helden.
Der Mythos hier: Von der Pickelfresse zum Multi-Milliardär.
Die Marke macht’s möglich.
Glasklare Botschaft: Wer wagt, gewinnt.
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