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Kurzportrait von Dr. Ulrich Clever
- Dr. Ulrich Clever ist Präsident der Landesärztekammer Baden-Württemberg
- Er ist seit August 2015 Beauftragter für Psychotherapie beim Vorstand der Bundesärztekammer
- Außerdem ist er seit August 2015 Ko-Vorsitzender der Arbeitsgruppe Weiterentwicklung der ambulant-stationären Kooperation bei der Bundesärztekammer
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Norman: Herzlich willkommen! Schön, dass Ihr wieder reinhört. Hier ist Norman von MARKENREBELL.FM. Mein heutiger Interviewgast ist Dr. Ulrich Clever, Präsident der Landesärztekammer Baden-Württemberg.
Uli, ich freu mich sehr, dass Du diesem Interview zugestimmt hast und heute möchte ich gerne mit Dir über das Thema digitale Patientenkommunikation sprechen. Bist Du startklar und wollen wir loslegen?
Ulrich: Ja, ich bin ganz gespannt. Guten Morgen!
Norman: Guten Morgen, ja stimmt, es ist nach sieben Uhr. Ich sagte ja bereits, dass Du Präsident der Landesärztekammer Baden-Württemberg bist, aber vielleicht kannst Du Dich selbst noch mal vorstellen, damit unsere Zuhörer ein bisschen mehr über Dich als Privatperson erfahren. Wer ist Dr. Ulrich Clever privat und was genau machst Du beruflich?
Ulrich: Ich habe viele Jahre lang in einer Praxis gearbeitet als Frauenarzt und habe über den kritischen Ansatz, als man uns die sprechende Medizin weiter kürzen wollte in der Honorierung, die berufspolitische Schiene betreten, indem das wir damals sozusagen eine alternative Liste gegründet haben. Wir haben das damals “neue Liste” genannt, damit man überhaupt eine Alternative hatte und auf diese Weise bin ich dann relativ schnell in die Verantwortung gekommen. Das heißt in Funktionen, die in dem Bereich dann wichtig wurden und so hat sich das weiterentwickelt. Mir hat das ehrlich gesagt von Anfang an Spaß gemacht und war auch eine gute Ergänzung oder Bereicherung zu meinem Praxisleben. Ich wusste, dass das mit der Praxis klappt und aufwärts ging und dann musste irgendwie noch eine andere Tätigkeit dazu.
Was ich privat mache? Mit dem Privatleben ist das eng geworden, aber das, was ich privat sehr gerne mache, auch wenn man es meiner Figur nicht unbedingt ansieht ist laufen. Ja richtig, Marathon laufen und ich mache demnächst meinen 55. Marathon, in einer Woche am Lago Maggiore. Das ist eine große Freude für mich.
Norman: Schön, Marathon gleich.
Ulrich: Genau.
Norman: Stark, und dann noch den 55.!
Ulrich: Genau. Es war mal die Idee 100 zu machen, und ich weiß nicht, ob mir das noch gelingen wird in meinem jugendlichen Alter. Man muss aber auch gesund bleiben und Glück haben und es ist jeder übrigens 42 km lang, der wird nicht kürzer. Das ist auch mit mehreren, die man gemacht hat, dadurch nicht leichter. Das ist eine Erfahrung, ja.
Norman: Was begeistert Dich so am Laufen, am Marathonlaufen?
Ulrich: Am Anfang hab ich beim langen Laufen Reden geschrieben, und was ich alles tun musste noch versucht zu ordnen. Inzwischen mach ich genau das Gegenteil, garnichts mehr. Ich denke nichts mehr. Das ist glaube ich mein meditatives Tun, dass ich nichts denke, was ich durchaus genieße und auch erinnere ist die Landschaft. Ich bin ein geographischer Typ oder Landschaftstyp und von daher passt das genau, das ist wunderbar.
Norman: Ich glaube, das ist dann auch so ein Zustand in den man kommt, wo man den Körper und auch die Umgebung einfach ganz intensiv wahrnimmt und dass man dann einfach auch den Geist abschaltet.
Ulrich: Ja, dass die Gelenke geschmiert sind, dass nichts weh tut, jedenfalls am Anfang und das ist einfach ein Vergnügen, eine Lust und dann nur: Du musst nichts tun, kein Handy klingelt. Du musst nichts machen, Du musst nur laufen.
Norman: Schön. Das passt eigentlich ganz gut zu meiner allerersten Frage, die ich eigentlich in fast jedem im Interview stelle und das ist die Frage: Gibt es für Dich ein Erfolgsmantra oder ein Erfolgszitat, was Dich so in Deinem Leben begleitet?
Ulrich: Ja, also zumindestens hab ich das versucht und es geht wirklich oft auch nicht, das muss ich redlicherweise zugeben. Das ist der Satz: Nicht Wegducken, Stellung beziehen, aber man muss auch, wenn man Erfolg haben möchte, das diplomatisch einsetzen und ich würde sagen, dass ich bisher das Glück in meinem Leben gehabt habe, Situationen vorzufinden, auch die Situation, dass wir 70 Jahre Frieden in Europa oder in Zentraleuropa zumindestens haben - in Europa stimmts ja nicht - aber, dass wir diese Möglichkeit doch verfolgen können, dass ich mich nicht verbiegen musste, nicht verraten musste, eigene Vorstellungen. Nicht, dass ich die gleichen Gedanken hätte, wie als 20-jähriger - das ist klar, da hat sich was geändert - aber es ist eine grundsätzliche Haltung, nicht wegzuducken, das war mein Satz immer.
Norman: Ja, das finde ich super, weil das bringt einen auch so in das proaktive Handeln, etwas zu tun und nicht nur zuzuschauen. Stark!
Gab es in Deinem Leben mal einen Moment, wo Du es so richtig schwer hattest und was waren die Dinge, die Du daraus für Dich mitgenommen hast, was waren Deine Learnings?
Ulrich: Na, das war schon der Moment, als ich das Laufen gefunden habe und da was Glückliches dafür machen konnte, das war meine Lebenskrise nach der Trennung von meiner Frau und der Mutter meiner Kinder. Das war schon eine schlimme Erfahrung. Das war persönlich meine, Gott sei Dank, schlimmste Lebenskrise. Ich habe keine schlimmen Krankheiten bisher gehabt oder Unfälle und von daher wirklich immer Glück gehabt und auch das ist natürlich etwas, was nichts Besonderes ist. Das haben ganz viele Menschen zu erleben und dann muss man natürlich sagen, dass Abschied auch zum Leben dazugehört. Es war ja auch vorher keine schlechte Zeit, also insofern hat sich das Dach dann gefügt und gerundet, aber es war in der Situation meine Lebenskrise.
Norman: Was waren Deine Learnings daraus? Was konntest Du so für Dich mitnehmen an Erkenntnis?
Ulrich: Naja, dass eben Abschied nicht nur theoretisch zum Leben gehört. Ich bin Geburtshelfer und da heißt die Geburt auf schön Medizin lateinisch “Partus”, die Trennung. Das ist die erste, die es gibt - das leuchtet jedem auch ein. Und man denkt natürlich beim kleinen Baby nicht direkt an Abschied, sondern erstmal an die schöne Zeit die kommt, mal abgesehen davon, dass die Zeit nicht nur immer schön ist, sondern auch vor allem anstrengend, ist es auch so, dass schon das kleine Baby eben seine Abschiede lernt. Es lernt dann den Abschied von der Mutterbrust, die das Baby erstmal kannibalistisch so zu sagen sich einverleibt, gar nicht merkt, dass es nicht sein Eigenes ist. Es erlebt es ja als eins noch, sowie im Mutterleib auch, es ist in einem großen Eins. Und dann erlebt es, dass Du, den Vater, oder die andere Person und fängt dann auch bei der dritten Person an zu fremdeln. Also das sind alles Schritte, die weg sind von etwas, aber hin zu etwas Neuem. Und solange man nicht auf dem Sterbebett liegt, wo man von allem Abschied nehmen muss in dieser Welt, solange gibt es eben neue Möglichkeiten, die man dann erst erkennt, wenn sie sich vielleicht dann entwickeln.
Norman: Ich hab das ganz intensiv erlebt tatsächlich. Ich bin vor knapp einem Jahr Papa geworden eines munteren Sohnes.
Ulrich: Herzlichen Glückwunsch!
Norman: Danke, danke! - der uns gut beschäftigt. Aber genau das, was Du gerade gesagt hast, ist auch so super spannend. Was mir dann auch selbst ins Bewusstsein kommt, mit so einem kleinen Erdenbewohner, das so mitzuerleben und sich eigentlich auch wieder an seine Kindheit zu erinnern; wieder mal zurückzuschauen und zu sagen: Wie war das bei einem selbst damals? Und wie war das wohl für meinen Vater? Auch interessant, sehr spannend.
Gibt es auf der anderen Seite einen Aha-Moment in Deinem Leben, wo Du gesagt hast: Das war für mich ein Gamechanger, ein Erfolgsmoment?
Ulrich: Also, dazu würde ich jetzt keinen einzelnen Moment, so wie jetzt eben bei der Lebenskrise, das kann ich schon derzeit noch genau benennen. Da werden auch weitere kommen, davon abgesehen, aber ein Aha-Erlebnis war das eigentlich nicht, dass das Ganze sozusagen übertrumpft. Zum Beispiel war der Eintritt in die Berufspolitik, dass das geht und dass ich da was zu sagen habe oder was entwickeln kann, das hat mich schon selbst beeindruckt und ich habe das schnell gelernt, so war mein Gefühl und bin dann überrascht gewesen, wie schnell man doch auch in Funktionen kam, die mit Verantwortung einhergehen. Und Verantwortung ist etwas, dass ich auch vorher schon in der Praxis für meine Patientinnen übernommen habe, wenn Entscheidungen zu fällen waren.
Ich musste entscheiden und Entscheidungen hatten Effekte, hatten Folgen, waren dann in eine Richtung entschieden, das muss ich schon sagen, dass das mich gegenüber der Jugend und der Studentenzeit - natürlich gab’s da auch Entscheidungen, die unwiderruflich waren - aber das war alles noch ein Stückchen beliebiger, die Welt schien offen zu sein, alles war noch möglich und vielleicht auch wieder reversibel. Man konnte eine Entscheidung später noch mal in eine andere Richtung machen, das gab’s dann später immer weniger. Und das ist ja auch für das Leben typisch, dass Gleise oder Weichenstellungen im frühen Leben nach allen Richtungen gehen und der Winkel, in dem man sie verfolgen kann wird dann immer enger je älter man wird - das ist schon auch eine interessante Sache.
Norman: Und super spannend ist auch, dass sich das natürlich mit deinem Zitat deckt: Stellung beziehen, Verantworten, selbst nach Antworten suchen ist ja auch wieder dieses berufspolitische, proaktive Vorangehen.
Ulrich: Ich danke für den Hinweis, das ist mir gar nicht aufgefallen.
Norman: Das glaube ich nicht. Da führen die Wege einen dann oftmals genau dorthin, wo man sich eben auch mit seinen eigenen inneren Glaubenssätzen befindet. Aber Thema “Gesundheitsversorgung” und da bist Du ja stark engagiert und “Digitalisierung”. Wie verändert sich aus Deiner Sicht die Gesundheitsversorgung im Zeitalter der Digitalisierung? Wo werden wir zum Beispiel 2025 sein? Was werden wir da erleben, aus Deiner Sicht?
Ulrich: Es gibt das Buch von Gerhard Hauptmann: “Die Weber”. Kennst Du das? Das berichtet von den Aufständen der Weber gegen die Modernisierung und Merkantilisierung der Produktion von Tuch und Kleidern und so. Der Weberaufstand ist tragisch. Der Weberaufstand ist von denjenigen, die mit ihrer Handarbeit ihr Brot verdient haben und sehen, wie ihnen das genommen wird, in einer brutalen Weise, die sie in die Armut drängte. Und dann kann man sich so etwas eigentlich für alle möglichen Entwicklungen vorstellen, die neu daherkommen. Es werden Berufszweige überflüssig, weil sie ersetzt werden durch Roboterisierung, durch alle diese Dinge, die wir kennen, also das würd ich jetzt nicht weiter aufführen. Aber dieser Weberaufstand zeigt, so sehr man mit den Webern in der Literatur und auch im realen Leben sich solidarisiert fühlt, dass es allerdings keinen Sinn macht, sich gegen Entwicklungen in der Geschichte der Menschheit zu stemmen, die eben nach vorne gehen. Ganz offen gesagt, vorne ist einfach dahin, wo noch keiner bisher gewesen ist. Das heißt nicht unbedingt besser oder schlechter oder irgendwas, sondern einfach neutral erstmal anderswohin.
Das passiert also und diese Erkenntnis war für mich nicht selbstverständlich. Ich habe mich eigentlich immer sehr solidarisiert mit solchen Leuten wie den Webern und auch mit meiner Oma, die eben zum Schalter gehen und ihre Sachen bei der Post kriegen wollte oder zum Busschaffner, der extra auf einem Stuhl noch saß und wo sie ihr Kärtchen für den Bus lösen konnte. Sie wolle nicht an den Automaten gehen und heute wäre sie, wenn sie noch lebte, völlig überfordert die Welt zu betreten. Das mal ganz vorausgeschickt zeigt, dass wir mit den Eisenbahnen, die die Menschen erschreckt haben, als sie zum ersten mal von Fürth nach Erlangen fuhr; die Autos, die vor dem ersten Weltkrieg auf die Straßen kamen und die noch langsam fuhren, wo man noch keine Vorstellung davon hatte, dass es mal Verkehrstote in großer Zahl geben könnte. All diese Dinge sind gekommen und so ging das auch in den 80er, 90er Jahren mit dem Computer los.
Ich hab damals sehr sehr früh mit einem Computer meine Dissertation geschrieben mit Fußnoten, das war eine tolle Sache, dass man das verschieben konnte. Wie das ging, wie das funktioniert hat, hab ich nie verstanden, im Gegensatz zu meinen Kindern, die in der Software arbeiten. Das ist so ähnlich wie, warum Brücken halten und warum Flugzeuge fliegen, ich nicht wirklich durchdrungen habe, weil ich eben kein physikalisches, sondern ein eher kommunikatives Gedächtnis habe. So, da bin ich jetzt ein bisschen der Frage ausgewichen: Was bedeutet Digitalisierung?
Norman: …in der Gesundheitsversorgung, genau.
Ulrich: In der Gesundheitsversorgung. Da war aber vielleicht der Grund vorausgeschickt, wie man auch mit Gesundheit dann den Bereich der Digitalisierung einzubauen hat. Und da gibt’s einfach auch keine Alternative dazu, weil die Ressourcen auch zu entwickeln sind und natürlich immer der Aspekt des Einsparens an anderen unfänglicheren Dingen nötig ist.
Die Medizin hat sich entwickelt von kleinsten Anfängen, wenn man sieht wie der bekannteste Bereich der Medizin und der beeindruckendste ist ja immer die Chirurgie oder die chirurgischen Möglichkeiten, bis hin zur sogenannten Schlüssellochchirurgie der letzten Jahrzehnte und jetzt kommen die invasiven Methoden wie Stents, die durch Bahnen geführt werden und das wird noch weitere Entwicklungen nach sich ziehen, die wir uns heute - auch als Mediziner - kaum vorstellen können. Insofern, da wird weiterentwickelt in jeder Sekunde, in jedem Land, wo die Möglichkeiten dafür bestehen, wenn da nicht der Krieg gerade herrscht oder sowas, dann wird das getan.
Norman: Was ich ja sehr spannend finde und was ich immer wieder auch im Markt beobachte ist, es kommen neue Technologien, jetzt nicht nur Robotertechnologien oder Sensoriken ins Spiel, sondern vor allen Dingen auch kommunikative neue Technologien. Ich bringe einfach mal das Stichwort “Telemedizin”. Wie glaubst Du, müssen sich die Ärzte auch in Zukunft positionieren, um diesem disruptiven Ansatz von irgendwelchen Startups da draußen irgendwie zu begegnen, die Patienten wirklich noch auch in ihrer Kompetenz als Gesundheitsberater zu begegnen und nicht, dass irgendjemand sich da via Videochat oder sowas beraten lässt? Also, wo siehst Du ganz konkret Bedarf bei den Ärzten, sich dort aufzustellen und vielleicht auch digitaler zu werden?
Ulrich: Ich glaube, dass das eine Entwicklung auch im Lebensalter der Menschen ist. Ich habe eben meine Oma angeführt, die heute nicht mal mehr mit der U-Bahn fahren könnte, weil sie nicht wüsste, wie sie mit den Touchscreens umgehen müsste und weil sie’s vielleicht auch nicht lesen kann, weil es zu klein geschrieben ist. Alles solche Dinge spielen übrigens eine Rolle, wo man dran denken muss, weil es die falschen Leute manchmal programmieren. Wenn das Leute sind mit alten Augen, dann weiß man, dass man größer schreiben muss; die Jungen haben dieses Problem noch nicht.
Nur so zum Beispiel: Der Küchenhersteller, wenn das Männer sind und meistens die Frauen früher in den Küchen standen, dann waren die eher zu groß; oder die Verkehrsplaner, die alle Auto fahren und dann Fahrradwege planen und diese Fahrradwege als Radfahrer, da kannst du dann eine Menge dazu erzählen. Also das ist mal ein Grundproblem von seiten der Planer und der Startups und der Entwickler, der Explorer und der Jungen, dass sie so mit sich begeistert an einer Sache arbeiten, dass sie das Breite sehen müssen. Und das Breite und dazu gehört eben, dass die älteren Ärzte sich zum Teil schwer tun, genau wie meine Oma, bei bestimmten Dingen noch mitmachen zu wollen. Sie sagen oftmals, habe ich gehört, das ist jetzt aber schon 20 Jahre her: “Nein die elektronische Abrechnung, das will ich in meiner Praxiszeit nicht mehr machen. Das ist mir alles zu kompliziert, ich blicke das eh nicht und ist alles zu teuer” und so weiter.
Das war uns Jüngeren damals natürlich völlig klar, das wir eine elektronische Abrechnung machen wollen und nicht mehr die Krankenscheine einzeln zählen und den einzelnen Kassen zuordnen und die auf dem Tisch liegen haben und wir mit dem ganzen Praxispersonal drumherum gehen und das dann eintüten und so weiter. So geht die Entwicklung weiter. Auch heute machen alle Ärzte elektronische Abrechnungen. Es gibt ganz wenige, die damit auch Strafzölle dann noch zahlen müssen, die das nicht tun. Das heißt, die Generationen, die nachkommen und die Generationen die abtreten verändern sich, in dem was sie können und was sie mitbringen. Insofern finde ich den Satz, dass Ärzte sich einstellen müssen, der trifft, wenn dann für alle Branchen zu, aber nicht speziell für Ärzte. Dass nämlich bei den jungen Ärzten solche dabei sind, die so technikaffin sind, dass sie eben von Anfang an diese Startup-Ideen selber mitbringen, selber machen, ja gar in der Medizin selber voranbringen und insofern ist das eine gesellschaftliche Allgemeinentwicklung und es ärgert mich immer der Satz, dass die Ärzte hinten dran seien und irgendwas verschlafen würden. Das halte ich für nur bedingt richtig und wie gesagt, es ärgert mich dieser Satz immer.
Ärzte sind dabei sich einzustellen auf Neues. Beispielsweise hat unsere Landesärztekammer Baden-Württemberg den Punkt aufgegriffen, das vor allem die Jüngeren, aber keineswegs nur die Jüngeren, den leichteren Zugang zum Arzt, zur Ärztin sich wünschen am Wartezimmer vorbei. Da gibt es schon wieder, wie das immer ist, wenn eine Frage beantwortet erscheint: Wie komm ich direkt zum Arzt? Dann kommen 10 neue Fragen: Wie ist das, ist das dann 24/ 7? - Also always around the Clock oder wie ist die Verfügbarkeit da? Wie ist das dann, das der Arzt auch nicht von Luft und Liebe alleine leben kann, sondern auch von einer ordentlichen Bezahlung leben muss? Wie ist das geregelt? Also die Probleme sind natürlich dann zu lösen, aber der Weg geht dahin und die Baden-Württembergische Ärztekammer mit unser Vertreterversammlung und ganz mit meinem Herzen auch, hat sich dafür geöffnet zu überlegen, wie können denn auch Erstkontakte stattfinden, die dann nicht unter dem Verbotsvorbehalt stehen, der in unserer Berufsordnung grundsätzlich zum Schutz des Patienten ja gilt, dass man denjenigen sehen muss und einen Gesamteindruck kriegen muss und den kriegt man natürlich mit den Medien, egal welchen Medien, weder durch einen Brief, noch durch ein Telefonat kann man den gegenüber komplett so einschätzen, wie wenn man ihn persönlich trifft. Das ist immer noch ein größerer Gesamteindruck, wenn wir alle Sinne anwenden können. Und da müssen wir natürlich die Wege finden, wie man das in Zukunft macht.
Norman: Ich glaube gerade in der Gesundheit bin ich fest davon überzeugt, dass es diesen persönlichen Kontakt absolut braucht und ich finde es auch wichtig, wenn man über Digitalisierung spricht, dann ist es auch immer ein Brückenbauen zwischen Offline- und Online-Welt. Also ich glaube nicht, dass digitale Technologien, Robotertechnologien alles ersetzen können, sondern ich finde es immer so ein ergänzendes Tool - jetzt haben wir gerade über das Thema digitale Patientenkommunikation gesprochen - um die Arbeit des Arztes beispielsweise zu unterstützen oder die Kommunikation mit Patienten einfach aufrecht zu erhalten auch noch.
Ulrich: Das hat natürlich Vorteile, dass wenn der Patient, der sich gut betreut und begleitet oder anders wie fühlt - vom Hausarzt oder Gynäkologen in meinem Fall - und sie ist in Neuseeland in Urlaub und hat ein Problem mit ihrer Spirale und kann dann in Kommunikation treten. Das war früher undenkbar mit dem Operator am Telefon, später ging es mit dem Telefon, dann musste man noch die Zeiten der Zeitverschiebung einplanen, aber jetzt kannst Du das einfach per Mail machen und in Zukunft wird man skypen können oder es wird jetzt schon getan, je nachdem wo Du gerade bist.
Norman: Das ist diese Schnelligkeit und Agilität.
Ulrich: Für denjenigen, der in Neuseeland seinen Urlaub macht eben die Beruhigung von demjenigen kommt, der einen kennt und von dem man weiß, dass er in der Sache was versteht, auf die Art, wie ich es brauche. Nicht wie der neuseeländische Arzt, der erstens viel teurer ist, den man in der Kommunikation vielleicht dann erstmal kennenlernen muss und wo die Spiralen dort andere sind und die Liegezeiten ganz anders sind und der da an den Liegezeiten ein Problem sieht, aber nicht die Vertrautheit, mit dem man da schon mehrfach darüber gesprochen hat. Das ist schon eine Chance für´s wirkliche Leben, die Qualität im Leben zu erhöhen. Nur müssen die Spielregeln dafür - wann, wie, was, wie bezahlt und so weiter und so fort - natürlich gemacht werden und das sind neue Aufgaben.
Norman: Du hast gerade was Wichtiges gesagt: Beruhigung. Mich kann natürlich nur jemand beruhigen, zu dem ich in irgendeiner Form eine engere Beziehung aufgebaut habe oder über einen gewissen Zeitraum eine Beziehung aufgebaut habe. Und ich denke, genau das ist auch der direkte oder auch persönliche Kontakt mit dem Arzt, was diesen Beziehungsaufbau so wichtig macht.
Ulrich: Ja, es ist einfach in der Spezifizierung unserer ärztlichen Tätigkeiten. Der Radiologe kann völlig unabhängig von dem wie der Patient aussieht, riecht, stinkt, säuft oder sonst was für einen Eindruck macht, die Weber-C-Fraktur in der Radiologie auf seinem Röntgenbild erkennen. Das hat nichts damit zu tun, was sonst der Patient für einen Eindruck macht. So ein paar Dinge wie das Alter und Geschlecht und so kommen natürlich schon noch dazu, der Ernährungszustand. Also da gehts aber dann schon los. Während natürlich für die allermeisten Konsultationen beim Arzt oder mit einem Arzt oder mit einem, der über solche Dinge, wie das medizinische Geschehen bei einem selber, Gesundheit, mehr versteht als man selber mit ner anderen Branche in der Lage ist zu tun. Die meisten dieser Konsultationen sind eben solcher Art, das Begleitende: Was kann ich jetzt am besten tun? Was sollte ich tun, wo sollte ich hingehen? Was rätst Du mir? Das ist die häufigste Konsultationsbegründung, nicht die Weber-C-Fraktur, die man hoffentlich nur einmal im Leben hat.
Norman: Was ja auch immer ganz heiß diskutiert wird, sind die Risiken und Nebenwirkungen von Big Data, Thema Patientendaten. Jetzt ist das auch zum Beispiel in meinem Freundeskreis zu beobachten, diese ganzen Variabals, die ganzen Gesundheits-Apps und Tagebücher, die man so führt. Das heißt, die Patienten sammeln selbst Daten, um sie dann gegebenenfalls bei irgendeinem “Online-Dienstleister”, abzugeben oder bereitwillig herzugeben, um irgendeine Leistung dafür zu bekommen. Wie siehst Du das auch aus Sicht der Landesärztekammer, wie mit den sensiblen Daten umgegangen werden muss, auch in Zukunft?
Ulrich: Das ist ein ganz großes Problem, weil das auch viel mit dem Wissen um Risiken zu tun hat. Risiken kennt jeder in seiner Branche, wo er engagiert und verantwortlich eine Tätigkeit durchführt. Derjenige der am Band steht, weiß genau, dass er da seine seine Hand nicht hinhalten darf, weil dann möglicherweise die Hand mit reingezogen wird in eine nicht aufzuhaltende, roboterartige Maschine. Das ist dem klar. Mir ist klar, dass wenn ich einem Lehramtskandidaten beim Prüfungsamt eine Prüfungsunfähigkeit für den Tag ausstelle, die im weitesten Sinne mit einer psychischen Erkrankung was zu tun hat - sagen wir mal nur so was harmloses wie Arbeits- und Prüfungsstörungen, das ist ja keine seltene Geschichte - dann wird das Folgen haben bei der Übernahme in den Beamtenstatus. Das weiß ich, das wissen zunehmend vielleicht auch kluge Teile der Gesellschaft, aber eben nicht alle und man denkt im Einzelfall nicht dran.
Vor allem, wenn man im kurzfristigen Vorteil ist, die Bescheinigung eben zu bekommen, dann schluckt man das eher und denkt “na, wird schon nichts passieren”. Das geht ja auch oft gut, aber es ist bei Big Data eine andere Situation als in früheren Jahren, wo das eben entweder handschriftlich aufgeschrieben werden musste oder vergessen wurde oder eben tatsächlich dann nichts passiert ist - das wird anders sein. Und insofern ist da schon ein großes Problem damit verbunden und das erklärt auch die von der Ärzteschaft - grundsätzlich ja eine kluge Gruppe von Menschen muss ich mal sagen auch wenn das Einser-Abitur das nicht garantiert für meine Begriffe, sondern die Gesamtheit des Tuns, einen erst als klug auszeichnet - da haben wir aber ganz viele Leute bei uns und die haben eben gesagt: “Nee, ganz so einfach mit dem Sammeln von Daten wollen wir das nicht zulassen”. Das ist schon auch der emotionale Hintergrund der Ablehnung vieler Jahre von Gesundheitskarte-Modellen. Diese Besorgnis muss man ernst nehmen und ist darin gespeist, dass da wirklich Herausforderungen liegen, die ähnlich wie auch mit der Atomindustrie sind. Dass die Atomenergie natürlich Energie schafft ist keine Frage, auch je nachdem wie man es definiert, auf eine zunächst einmal saubere Weise. Dennoch haben wir bis heute nicht die Ablagerung des Atommülls geklärt und so ähnlich ist das auch mit Big Data. Das ist real ein Problem und eine, wie gesagt kluge Gruppe von einer Berufssparte, hat sich dem auch mit diesem Grund im Hintergrund, neben vielleicht auch kleinen vordringlichen politischen Gründen widersetzt. Das hat auch im Laufe der Zeit ja dazu geführt, dass es durchaus noch andere Möglichkeiten gibt, wie man das Sichern kann, aber jetzt wird es durch die Variabels nochmal, das war ja vor zehn Jahren nicht vorauszusehen, da hat keiner von Variabels gesprochen und den Folgen, die das im Sinne von Big Data haben kann. Das ist jetzt wieder die neue Herausforderung.
Also die Schlagfrequenz ist natürlich schneller als zu meiner Omas Zeiten, wo es erst die Eisenbahn gab 1860 oder 1865 oder so und dann um 1900 die ersten Autos. Das hat 40 Jahre gedauert. Heute ist im Abstand von drei Jahren Neues auf dem Markt und wirft uns um und bringt uns mit neuen Herausforderungen in Kontakt.
Norman: Ich finde das auch eine sehr interessante Analogie, die Du gebracht hast mit Atomenergie, weil ich sehe das genauso. So heiß oder so sensibel einfach, weil diese Information, und wir leben in einer Informationsgesellschaft, wo das ja auch ein Machtinstrument ist, über diese Informationen zu verfügen und nicht ohne Grund werben ja die großen digitalen Industrieunternehmen wie Google, Apple und wie sie alle heißen, um die Kundschaft. Sie versuchen die Daten zu sammeln, um sie am Ende auszuwerten oder zu verkaufen, was auch immer man damit macht. Also ich glaube auch, dass das ein riesengroßes Thema ist. Kannst du nochmal aus Sicht der Kammer sagen, wie Ihr die Ärzte unterschützt oder welche Anstrengungen Ihr unternehmt die Ärzte zu unterstützen, um der Digitalisierung per se, auch dieser unglaublichen Geschwindigkeit zu begegnen?
Ulrich: Eine Aufgabe der Kammer ist die Fortbildung. Da versuchen wir einiges zu machen. Wir haben Programme mit E-Learning, blended Learning, Programme bei uns in der Kammer inauguriert. Das ist jetzt überhaupt nichts Besonderes, das machen ganz viele Firmen auch. Es ist ja immer das Geld unserer Mitglieder, das wir da ausgeben für solche Projekte, insofern muss es immer gut überlegt sein. Das ist der Teil, der läuft im Rahmen unserer vom Gesetzgeber her gegebenen Aufgaben der lebenslangen Fortbildung für Ärzte.
Wir haben verändert für die jungen Ärzte, die nachrücken, die ihre Weiterbildung zum Facharzt machen, dass sie über Programme mit dem Logbuch das elektronisch geführt wird, ihrer Bewerbungsunterlagen für die Facharztprüfung erleichtert und vereinfacht reingeben können. Das hat für uns ja auch weniger Papierkrieg zur Folge und geht schneller und man sitzt am PC und kann mit dem Mitglied, das sich zur Facharzprüfung anmeldet, direkt besprechen was fehlt. Das ist ein Aspekt, der sich bei uns auch im täglichen Tun geändert hat und dann natürlich jetzt die nach außen in der Presse so wichtige Veränderungen mit der Möglichkeit, die wir eröffnen wollen und da sind wir gespannt, wie sich das weiterentwickelt mit der Fernbehandlung ohne einen Patientenkontakt. Das wollen wir ja erst mal in Modellprojekten ausprobieren und evaluieren lassen, aber eben unter Kontrolle und mit Genehmigung der Ärztekammer und damit versuchen, dieses Verhältnis, das ja ein ganz Wichtiges ist zwischen Patient und Arzt oder Patientin und Ärztin, auch innerhalb der Ärzteschaft kontrolliert sein zu lassen und nicht branchenfremden oder unerfahrenen Gruppierungen dabei zu überlassen oder wirtschaftlichen Interessen alleine.
Das mag zu spät kommen, weil vieles einfach defakto läuft, in anderen Ländern auch so gemacht wird - das ist für uns eine Erfahrung die Deutschland sowieso in Vielem macht. In der Fortpflanzungsmedizin ist vieles in Deutschland verboten, was in den umliegenden Ländern Gang und Gäbe ist, was man sich durch hinreisen auch leicht erwerben oder erkaufen kann. Ob das immer gut ist, ist eine andere Frage. Ob das immer die Qualität hat, können die Leute am wenigsten beurteilen, aber das läuft und das läuft eben auch mit der Fernbehandlung.
In der Schweiz ist das eben juristisch schon immer möglich gewesen und wird auch gemacht. Von daher müssen wir uns einfach damit beschäftigen, denn die Welt wird ja das globale Dorf oder ist es schon, auch wenn man nicht vergessen darf und das weiß ich als Läufer ganz genau, wie weit die Strecke ist.
Norman: Das stimmt. Gibt es da Erfahrung, über die Du erzählen kannst, wie das in der Schweiz mit der Fernbehandlung läuft oder welche Erfahrung es da gibt?
Ulrich: Da gibt es inzwischen Aktiengesellschaften, die schon im zweiten Jahrzehnt arbeiten und auch von den schweizerischen Krankenkassen, die anders aufgestellt sind als die deutschen gesetzlichen Krankenkassen wohlgemerkt, aber dennoch: alle Schweizer haben eine solche oder alle, die in der Schweiz versichert sein müssen. Alle die da wohnen haben die Möglichkeit, diese Fernbehandlung durchführen zu lassen und sie wird von den schweizer Versicherungen auch bezahlt und das Konzept trägt und ich würde gar nicht mal sagen zur Überraschung, sondern es trägt auch insofern, als dass dann der zweite Anruf, die zweite Skype-Video-Session mit dem Patienten, dann dessen ersten Anruf und ersten Kontakt wieder aufruft. Das heißt, es kann also schon eine Kartei dasein, obwohl der noch nie mit einem Arzt dieser Firma persönlich in Kontakt gekommen ist, sondern nur am Video-Chat oder am Telefon. Das hat interessanterweise auch keine höhere Rate an etwa Haftpflichtfällen oder an Falschdiagnosen - so ist zumindestens die Behauptung - und das wollen wir jetzt mit unseren Projekten hier auch in Deutschland schauen, ob das so zutrifft auf die deutschen Verhältnisse.
Norman: Ja, und wieweit das dann mit dem Berufsrecht auch vereinbar ist, oder?
Ulrich: Wir haben ja das Berufsrecht an dieser Stelle ein klein wenig aufgemacht. Der Gesetzgeber und unser aufsichtsführendes Ministerium hat dem zugestimmt. Ab 01.11.2016 wird uns erlaubt sein, solche Projekte zu genehmigen. Sie müssen durch den Vorstand der Landesärztekammer gehen, das gilt für ganz Baden-Württemberg und sie müssen wissenschaftlich evaluiert sein. Das bereiten wir jetzt vor und wir werden sehen was da sich entwickelt. Ich bin ganz gespannt und interessant ist, wenn eine Frage beantwortet erscheint, so werden zehn weitere neue gestellt. Also wenn sie die Tür aufmachen, dann haben sie die Frage, wie wird dokumentiert? Wer überprüft die Plausibilität? Wie wird abgerechnet? Welcher Arzt darf das machen? usw.
Norman: Aber stark, dass sich da was tut. Das find ich großartig!
Ulrich: Ja, wir haben auch viel Lob gekriegt, nachdem wir vorher als die Bremser schlechthin immer galten. Man kann mit einem kleinen juristischem Satz eine Menge bewirken in der Außenwahrnehmung. Natürlich hat sich erstmal noch gar nicht so viel getan, vielleicht im Kopf etwas. Man muss dann schon auch grinsen, plötzlich ist man der Vorschriftsapostel, nachdem man vorher anders gedeutet wurde. Es ist schon interessant, wie Öffentlichkeit auch funktioniert.
Norman: Absolut. Wie Kommunikation auch funktioniert und ich glaube dieser Schritt wird natürlich viele Unternehmen, die sich genau damit beschäftigen auch motivieren, dort in agilen Projekten mit der Kammer zusammenzuarbeiten. Klasse!
Bevor wir unsere berühmt berüchtigte Quick Q&A-Session machen vielleicht noch eine Frage an Dich, die mich immer interessiert bei meinen Interviewpartnern: Wie triffst Du Entscheidungen?
Ulrich: Ansich bin ich genauso, wie glaube ich die meisten Menschen. Ich suche die Liebe genauso wie alle anderen. Das heißt, das Wort von harmoniesüchtig, was ich für ein Schimpfwort fast halte, das ist ein furchtbares Wort, aber ich bin überzeugt, dass dies letzten Endes auf die eine oder andere Art - und da möge mir die Tiefenpsychologie helfen - sicherlich ist diese Aussage nicht falsch, dass das letzten Endes auch der Verbrecher sucht oder der Dieb. Ja, das ist ja schon oft auch in der Literatur beschrieben. Von daher: Der Ausgleich ist das Entscheidende. Der Interessensausgleich ist meine Aufgabe und zumal als Präsident einer Landesärztekammer, wo wir 66.000 Mitglieder haben, die wirklich sehr unterschiedlich denken, so wie die Gesellschaft breit aufgestellt ist, so haben wir das auch in der Ärzteschaft. Also, von links bis rechts und von weiß ich nicht nach dorthin. Und da geht es um den Interessensausgleich. Interessensausgleich ist in unserer Gesellschaft, die wie ich schon sagte 70 Jahre Frieden jetzt doch gebracht hat. Tolle Sache. Wo gab es das sonst schon, dass Generationen geboren wurden, die ihr ganzes Leben Frieden erlebt haben? Ich hoffe, es bleibt so hier bei uns und dafür muss man was tun und das Thema der demokratischen Willensfindung ist, zumindest auch aus meiner Sicht, dasjenige, das bisher am besten getaugt hat. So teuer es ist, so langwierig es ist, so mühsam es ist und sonst wie was. Und deswegen ist dieser Interessensausgleich in demokratischer Weise doch auch meine Überzeugung geworden. Das habe ich nicht immer als Jugendlicher mit der Muttermilch aufgesogen. Ich kam ja auch aus einer Zeit, wo der Nationalsozialismus noch nicht weit zurücklag - das darf man nicht vergessen. Im Osten unseres Landes ist das nochmal später auch mit einer Diktatur weitergegangen. Das ist alles nicht so einfach und kein Selbstläufer, sowas bleibt hängen, nicht mit der Muttermilch vielleicht nur, sondern doch mit vielen kleinen Erinnerungen an dies und das. Und insofern spreche ich da sehr für diese Form des Moderierens von Interessen und das ist wirklich meine Aufgabe und ich glaube - so wird mir auch ein bisschen nachgesagt, ich könne das so ein bisschen - habe ich nichts dagegen, da freue ich mich immer drüber.
Norman: So nehme ich Dich wahr. Ulli, lass uns in die kleine Quick Q&A-Session einsteigen. Ich stell dir hintereinander ein paar Fragen und Du antwortest einfach spontan, was dir dazu einfällt. Okay?
Ulrich: Da bin ich ziemlich schlecht glaube ich, aber mal sehen.
Norman: Wir probieren es mal aus. Was hat dich anfangs davon abgehalten, Dich mit der Digitalisierung zu beschäftigen?
Ulrich: Ich habe auch von Anfang an die Gefahren sehr deutlich gesehen. Kontrolle und die wollen sich’s ja nur leichter machen und ich muss jetzt noch was Neues anschaffen und investieren und so. Das waren schon Reaktionen in meiner Praxis, die ich durchaus kenne.
Norman: Welcher Moment oder Rat hatte ein besonders nachhaltigen Einfluss auf Dein heutiges Leben bzw. auf Deinen Beruf?
Ulrich: Na, ich denke der eben schon zitierte Weberaufstand hat mich mein Leben begleitet, das hab ich in der Schule gelernt und das habe ich mir immer wieder klar gemacht. Es hat keinen Sinn dagegen aufzubegehren. Lass’ es dir zeigen, versuch’s zu verstehen und finde den Weg.
Norman: Kannst Du uns eine Internetressource oder ein Tool nennen, das Du selbst einsetzt? Facebook oder irgendein Tool, was du im Internet benutzt?
Ulrich: Nein, ich habe mich Facebook komplett verweigert. Dabei bin ich bis heute geblieben und auch LinkedIn und diese Dienste mache ich nicht auf, mache mich nicht zu Freunden da. Das versuche ich dann den Freunden mündlich, wenn ich sie treffe, auch zu sagen. Aber ich denke, es gibt viele, die da so handeln wie ich. Ich versuche schon den Datenschutz ein wenig im Kopf zu behalten, sodass ich mich da eben deswegen von Facebook und Co. ferngehalten habe bisher. Dennoch habe ich einen Vizepräsidenten, der sehr stark digitalisiert auftritt und seit Jahren schon keine Papiere nutzt, sondern seinen Laptop für alles benutzt. Von dem lerne ich sehr viel in dieser Richtung und lasse mir das von ihm gerne zeigen. Ich traue ihm auch über den Weg und das ist wieder eine interessante Bemerkung: “Vertrauen”.
Norman: Ganz genau, schön. Welche drei Mobile-Apps nutzt Du am liebsten auf Deinem Smartphone?
Ulrich: Eigentlich nutze ich nur Runtastic. Das ist die einzige App, die ich benutze. Die ich allerdings nicht in der Plus-Version benutze, sondern nur in der Basal-Version, weil Plus kostet. Ich weiß nicht, ob ich da zum Schwaben geworden bin, weil ich in Stuttgart meinen Ansitz habe, aber es ist ja eben auch damit verbunden - das ist ja witzig: Die schicken mir “na, prima! Diese Woche hast Du dreimal trainiert” und so. Ich denke dann immer “Ach ihr Affen, ihr wisst doch garnicht, wie ich arbeite und was das für mich bedeutet”.
Norman: Was für Musik hörst Du gerne?
Ulrich: Da bin ich ein Kind meiner Jugend. Also, Stones und Pink Floyd, also wirklich die alten schönen Klassiker. Ich habe eine Weile in San Francisco gelebt. Da ging damals Janis Joplin mit Kris Kristofferson noch bevor sie starb und Janis war natürlich auch ein Idol und hat mich auch mit den sehnsüchtigen Momenten des Lebens verbunden.
Norman: Schön! Kannst Du uns ein Buch empfehlen? Du hast uns vorhin schon “Die Weber” empfohlen. Vielleicht hast Du noch ein Buch, was für Dich ein großen Mehrwert hatte?
Ulrich: Ja, “Picknick mit Bären” heißt es. Das ist aber jetzt mehr auf meinen Laufhintergrund zu sehen. Das ist die Beschreibung eines Amerikaners oder eines britischen Amerikaners, der den Appalachian Trail, also den Appalachen Weg von Süden nach Norden in den USA gegangen ist. Das ist ein ganz tolles Buch. Ich hab das als eines der wenigen Bücher in meinem Leben mehrfach gelesen.
Norman: Zu dem Podcast gibt es ja auch die Shownotes, wo man das alles auch nochmal nachlesen kann und dort verlinken wir das Buch einfach auch nochmal. Kannst Du uns zum Schluss im Hinblick auf das digitale Zeitalter noch einen Tipp mit auf den Weg geben?
Ulrich: Ob ich der richtige bin, Tipps für das digitale Zeitalter mit meinen 63 Jahren zu geben, das bezweifle ich. Aber: aufgeschlossen bleiben, nicht zynisch werden, nicht bitter werden, zuhören, dann aber auch zugreifen und eben, wenn man in der Lage ist, wie ich das ja durchaus sein muss, dann aber auch Entscheidungen zu treffen. Das ist glaube ich schon richtig und das gilt auch für den digitalen Weg und der ist genauso, wie die Eisenbahn und wie die Autos, unumkehrbar. Dass der sich nachher anders entwickelt, wie auch die Autos, wo man sich nie vorstellen konnte, dass die fahrerlos trotzdem durch die Gegend fahren werden, das wird auch bei der digitalen Welt weiter so gehen. Das sind viele Dinge, die wir uns jetzt noch gar nicht vorstellen können. Selbst Sascha Lobo kann nicht alles voraussagen. Es gibt keinen Propheten im Lande, der wirklich alles richtig sieht. Man kann Manches ahnen, wenn man in der Sache gut zuhause ist, aber man braucht schon einen guten Überblick, um wenigstens die nächsten Jahre zu erkennen, was da nötig ist.
Norman: Das ist doch ein schönes Schlusswort!
Ulrich: Ja, ich hoffe.
Norman: Es hat mir richtig Spaß gemacht mit Dir und ich freue mich, über den weiteren Austausch und danke Dir nochmal vielmals für Deine Zeit, Dich hier mit mir morgens zu verabreden und ein Interview zu machen.
Ulrich: Norman, dankeschön ebenso! Und nochmals Glückwunsch zu Deinem Kind! Ich werde dem Großvater auch noch meine Glückwünsche sagen demnächst.
Norman: Super, vielen Dank!
Ulrich: Okay, also Normal, ciao.
Norman: Bis bald.
Ulrich: Bis bald.
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