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Das in seiner Form und seinen Auswirkungen gegenüber früheren disruptiven Veränderungen der Wirtschaft neuartige Phänomen der digitalen Disruption stellt Ökonomen vor das Problem der systematischen und terminologischen Einordnung. Im Vordergrund stehen Fragen, die sich auf folgende Tatsachen beziehen:

 

  1. Haben wir es bei der Digitalisierung mit einer völlig neuartigen technisch-industriellen Revolution zu tun, die auf ständig sich weiter entwickelnden Produkten digitaler Soft- und Hardware basiert. Da sie alte Industrien immer weiter verdrängen, gehören sie der Kategorie der disruptiven Neuerungen an.

 

  1. Ermöglichen die neuen globalen Marktplätze im World Wide Web neue, revolutionäre, althergebrachte Modalitäten verdrängende (disrumpierende) Geschäftsmodelle.

 

Die Analyse und Auswertung derartiger wirtschaftlich-technologischer Umwälzungen war die Domäne des österreichischen Ökonomen Joseph Schumpeter, der im vergangenen Jahrhundert den Begriff der „schöpferischen Zerstörung“ prägte.

 

Schumpeter war richtigerweise davon überzeugt, dass wirtschaftlicher Fortschritt allein auf die Initiativen innovativer Unternehmer zurückgeht. Sein individualistischer Realismus stand dem metaphysischen Geldverbrennungsetatismus  z.B. des amerikanischen Ökonomen John Maynard Keynes diametral gegenüber.

 

Primäre unternehmerische Handlungsmotive sind laut Schumpeter der „Siegerwillen“, das „Kämpfenwollen“, das „Erfolghabenwollen“, aber auch der Wunsch nach sozialem Aufstieg. Schumpeter hatte das Unternehmertum betreffend ziemlich puristische Ansichten. Er fand, „(…) dass jemand grundsätzlich nur dann Unternehmer ist, wenn er eine neue Kombination durchsetzt.“ Sobald der Unternehmer dazu übergeht, die Firma auf Basis der Neuerung weiter zu betreiben, verlöre er seinen Charakter.

 

Nach Schumpeter setzt der Unternehmer das Neue durch - im Unterschied zum Erfinder, der es entwickelt.

 

Der ehemalige Bundespräsident Roman Herzog appellierte in den 90er Jahren angesichts der sich gegenseitig blockierenden politischen Parteien an die Unternehmer, wenigstens sie mögen sich doch bitte auf ihren Kampfeswillen besinnen, um den vor sich hin dümpelnden „kranken Mann Europas“, also Deutschland, aus dem Morast zu ziehen. Sie hätten sozusagen die Pflicht, ihre Autorität und ihre Fähigkeiten zum Wohle des Ganzen einzubringen.

 

Schumpeters Konzept der „schöpferischen Zerstörung

 

“In Schumpeters Augen beschreibt der “Sturm der schöpferischen Zerstörung” den “Prozess der industriellen Mutation, der die ökonomische Struktur immerzu revolutioniert, ständig das Alte zerstört und unaufhörlich Neues erschafft”.  

 

Als Erkenntnisvorlage diente Schumpeter „die Eisenbahnfahrt des Mittleren Westens (der USA), wie sie von der Eisenbahngesellschaft ‚Illinois Central‘ initiiert worden war.” Er schrieb: “Die Illinois Central bedeutete nicht nur ein sehr gutes Geschäft, während sie gebaut wurde und während neue Städte um sie herum gebaut wurden und Land kultiviert wurde, sondern sie (die Illionois Central) schrieb das Todesurteil für die (alte) Landwirtschaft des Westens.“

 

Es gibt kein größeres Risiko als sich auf seinen Lorbeeren auszuruhen

 

Aber auch Unternehmen, die einst mit revolutionär neuartigen Produkten die Industrie umkrempelten und dann jahrzehntelang die Märkte dominierten, sind in der Versenkung verschwunden. Sie hatten die Digitalisierung verschlafen, verloren ihre Marktanteile, und die Gewinne brachen ein. So erging es z.B. den weltbekannten Marken Kodak und Polaroid im Segment Fotografie.

 

Die Konkurrenz hatte etwas riskiert, hatte investiert, hatte neue, erheblich bessere Technologien am Start, hatte die Herstellungskosten gesenkt.

 

Eines der imposantesten Beispiele für industrielle Mutationen ist die Musikindustrie: Hatte die Kassette noch die 8-Spur-Technik ersetzt, wurde sie schon bald von der Compact Disc verdrängt. Die CD gehörte nach der Einführung des MP-3-Players schon bald zum alten Eisen, und die MP-3-Technologie kann gegen die webbasierten Streaming-Dienste einpacken.

 

Fazit: Unternehmen, die mit bestimmten Produkten jahrelang die große Kohle machen, neigen irgendwann zur Trägheit, ruhen sich auf ihren Lorbeeren aus und verlieren den Anschluss. Nicht selten auf Nimmerwiedersehen.

 

Aus derartigen ökonomisch-technologischen Prozessen destillierte Schumpeter sein Credo von der  “kreativen Zerstörung”.

 

Allerdings war Schumpeters Analyse weit feinsinniger, fundierter und komplexer als es die rüde Disruptionsrhetorik vermittelt.

 

Mutation ist gleichbedeutend mit der Manifestation von Neuerungen

 

Was sagte Schumpeter wirklich über diesen Prozess?

Zum einen wurde nicht er müde zu betonen, dass der Kapitalismus als “evolutionärer” Prozess aufgefasst werden muss. Dabei befinden sich die Ausgangslagen unterschiedlicher Volkswirtschaften auf unterschiedlichen Niveaus, so dass sie sich zu einem gegebenen Zeitpunkt in unterschiedlichen Entwicklungsstadien befinden.

 

Auch betonte Schumpeter, dass nicht allen im Kapitalismus sich vollziehenden Veränderungen evolutionäre Bedeutung beizumessen ist. Wenn sie dann aber geschehen, haben sie den Rang von „Mutationen“.

 

Solche Mutationen fallen nicht vom Himmel. Sie geschehen nicht zufällig und sind auch nicht einfach Reaktionen irgendwelcher Marktteilnehmer auf vorübergehende Ereignisse. Mutationen sind dauerhafte, nachhaltige, qualitative Verschiebungen in der Logik, im Verständnis und in der Praxis kapitalistischer Unternehmen.

 

Was aber löst eine Mutation aus? Schumpeter war davon überzeugt, dass solche Entwicklungen wahrhaft evolutionären Charakters prinzipiell nur dann eintreten, wenn die mit den Neuerungen einhergehenden institutionellen Veränderungen der Wirtschaft als adäquate Reaktionen auf vorher eingetretene Nachfrageentwicklungen interpretiert werden können.

 

Schumpeter schrieb: “Der grundlegende Impuls, der den kapitalistischen Motor in Bewegung setzt und in Gang hält, geht von den neuen Produkten aus, von den neuen Produktionsmethoden sowie von den neuen Formen der industriellen Organisation, die das kapitalistische Unternehmen schafft.”

 

Als Beispiel bediente sich Schumpeter der Entwicklung der Unternehmensorganisation von US Steel vom einfachen Handwerksbetrieb zur großangelegten Fabrikproduktion.

 

Diese Ideen unterstreichen einen weiteren wichtigen Punkt: Mutationen beinhalten neue Wege zur Institutionalisierung sozialer Beziehungen, da sie sich an die neuen Bedürfnisse der Verbraucher anpassen. US Steel war für Schumpeter deshalb so revolutionär, weil es exemplarisch für die Umstellung von Handarbeit auf Bedürfnis- und nachfragegerechte Massenproduktion stand.

 

Dabei waren die neuen Technologien nur ein Teilaspekt des enormen Erfolgs. Noch viel stärker wirkten die neuen Arbeitsweisen und die daraus resultierenden, von den Gewerkschaften initiierten Veränderungen in die Strukturen der Arbeitsmärkte und daraufhin der ganzen Gesellschaft hinein, weil insbesondere neue Standards bei der Beschäftigungssicherheit, bei der Ausbildung und bei den Fair-Labour-Praktiken durchgesetzt werden konnten.

 

Solche sozialen Veränderungen sowie deren Institutionalisierung sind die entscheidenden Folgeerscheinungen ökonomischer Mutationen. Sie sind mit Schumpeters Auffassung deckungsgleich, der zufolge der Kapitalismus “erschafft und zerstört”.

 

Im Gegensatz zur raschen Umsetzbarkeit von Geschäftsideen benötigen echte Mutationen viel Zeit –  Zeit und auch Geduld. Dies ist für den Prozess der Mutation schon deshalb so bedeutsam, weil hier eine große Zahl verschiedenster Faktoren über die Wirtschaft vertikal und horizontal in die Gesellschaft hineinwirken und sich durchsetzen müssen, bevor man von einer Manifestation der Neuerungen sprechen kann.

 

Mit anderen Worten: Nicht jedes als Disruption wahrgenommene Phänomen ist ohne weiteres mit einer Mutation gleichzusetzen. Dies gilt für technische Neuerungen wie für noch so originelle Geschäftsideen. Was als Mutation gelten will, muss besonders hohe Standards erfüllen.

 

Mutationen verändern die Natur des Kapitalismus grundlegend.

 

Die Digitalisierung an sich erfüllt sämtliche Kriterien der Schumpeterschen Mutationstheorie. Nicht aber die Erfindung eines neuen Smartphones oder die Disruption eines traditionellen Marktes durch eine Firma wie Uber.

 

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