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Die Verantwortung jedes Einzelnen
Die Welt ist zusammengerückt. Das World Wide Web hat aus der Welt ein Dorf gemacht.
Was früher weit weg war und außerhalb jeder Reichweite, erscheint uns heute wie nebenan.
Wir erfahren die neuesten Neuigkeiten aus aller Welt frisch, glänzend verpackt und ohne Verzögerung.
War London früher nur ein feuchter Teeny-Traum, können wir heute per Web-Cam in Echtzeit miterleben, was gerade auf dem Trafalgar Square, am Piccadilly Circus und auf der London Bridge vor sich geht. Wir stehen sozusagen mitten im Geschehen.
Schrieb man sich früher lange Briefe, schreibt man heute eine Mail und jagt sie per Mausklick nach China und Chile.
Ab und an sollte man sich dies in Erinnerung rufen.
Durch die unendlichen Möglichkeiten des Internet hat sich nämlich die Wahrnehmung verschoben. Sie ist nicht mehr auf das fokussiert, was real in der direkten Umgebung geschieht; Bildschirmarbeit ist heutzutage ganz normal, über mobile Endgeräte erreichen uns News aller Art im Sekundentakt, und natürlich fällt unsere Aufmerksamkeit auf die sensationellsten– und die grausamsten.
Wir sehen Bilder und Videos, die uns direkt zum Ort der Handlung bringen.
Und obwohl wir das Gefühl haben, alles geschähe in erreichbarer Nähe, richtet sich unser Interesse auf Sachverhalte, mit denen wir früher niemals etwas zu tun bekommen hätten – und die uns auch heute eigentlich egal sein könnten, nähmen wir nicht an Social Media Threads teil, an denen massenhaft Menschen teilnehmen, die uns völlig unbekannt sind und die wir niemals kennenlernen werden.
Wir füllen wir uns bis zur Fontanelle mit fremden Inhalten auf, statt uns um die direkte Umgebung zu kümmern. Das schlägt (un)natürlich auf die Stimmung.
Was sagt die Wissenschaft?
Sherry Turkle, Professorin am Massachusetts Institute ofTechnology, der weltweit führenden Hochschule für technische und psychologische Studien, betreibt dort eine Zukunftswerkstätte für Robotik und Cyberspace, die sich mit Mensch- Technik- Beziehungen auseinandersetzt. Die Wissenschaftlerin, absolut das Gegenteil von einer Technikfeindin, konstatiert, dass uns das Internet sehr viel gebracht hat: „Leider auch die Möglichkeit, nicht zu denken.“
Seit Mitte der Neunzigerjahre als das Internet aufkam, widmet sich Sherry Turkle der Erforschung der zum Teil äußerst problematischen Beziehungen von Kindern mit dem Internet,und wie sich der Konsum viraler Angebote auf die kindliche Psyche auswirkt: E-Mail und SMS, My Space, Facebook und Twitter, Chatrooms und Computerspiele wie “Second Life.”
“Diese kleinen Dinger in unseren Taschen sind psychologisch so mächtig, dass sie nicht nur verändern, was wir tun, sondern auch, wer wir sind. Sie bestimmen, wie wir miteinander und mit uns selber umgehen. Wir gewöhnen uns daran, zusammen allein zu sein.”
Menschen verlieren die Fähigkeit, allein und mit sich selbst zu sein. Bei sich zu sein. Zum „Mit sich alleine sein“ gehört unausweichlich auch die Fähigkeit, als einzelner Mensch anderen Menschen gegenüberzutreten, ihnen in die Augen zu sehen und mit ihnen zu sprechen, Emotionen auszutauschen und Bindungen einzugehen. Vermutlich das größte aller Abenteuer.
Es betrifft die ältere Generation genauso. Wenn wir nicht in ständigem Kontakt miteinander stehen, spüren wir uns selbst nicht mehr. Was also tun wir? Wir suchen noch mehr Kontakt, die Sache wird zur Sucht – und am Ende sind wir nicht nur vereinsamt, nein, viel schlimmer: Wir sind isoliert.
Statt das am nächste liegende zu tun, verplempern wir die Zeit mit sinnlosen Gesprächen und glauben daran, irgendetwas beeinflussen zu können.
Seien wir doch ehrlich: Geilen wir uns nicht vor allem an uns selbst auf?
Der Gratismut, den das Getippsel auf den Tastaturen unserer digitalen Endgeräte kostet, ist nichts wert. Viel mehr Mut erfordert es, auf reale Menschen zuzugehen, ihnen direkt in die Augen zu schauen. Das dürfen wir niemals verlernen!
Los ging die Sache mit dem technischen Fortschritt des 19. Jahrhunderts, der es auf einmal ermöglichte, Nachrichten in Millionenauflage in Umlauf zu bringen. Das eigentlich Eigenartige an diesen Nachrichten war, dass jeder, der sie las, zwangsläufig dasselbe las wie Millionen andere. Damit wurde eine Sphäre geschaffen, die jeden zwar nichts anging, von der sich aber jeder betroffen fühlte.
Das sah übrigens auch der große dänische Philosoph Sören Kierkegaard so, der sich damals darüber erboste, dass die Menschen auf den Straßen und in den Kaffeehäusern immer weniger über sich selbst und ihre Liebsten redeten.
Stattdessen begannen Hinz und Kunz, sich über Themen auszulassen, die sie in den Zeitungen aufgeschnappt hatten. Darin sah Kierkegaard – zu Recht – eine große Gefahr für die Urteilsfähigkeit des sich aus sich selbst extrahierenden Individuums. Der Unterschied zwischen Zeitungen und dem Internet ist jedoch die Unmöglichkeit, sich in Jetztzeit mit völlig unbekannten Menschen aus allen Gegenden der Welt über alles Mögliche und Unmögliche zu streiten.
In der Tat sind heute viele Menschen davon überzeugt, zu wissen, was auf den Fidschi Inseln vor sich geht. Was aber der Nachbar tut – wie es ihm geht, was er fühlt oder denkt und weshalb er so denkt – davon weiß der Proband kaum noch irgendwas.
Diejenigen, die Verbrechen begehen, von denen dank allgegenwärtiger Smartphone-Bewaffnung sofort die Bilder rund um den Erdball reisen, wissen dies. Sie nutzen die Macht der Bilder aus.
Worauf ich anspiele, sind die vielen vor allem schlimmen Ereignisse, die uns tagtäglich über Social Media und andere digitale Kanäle erreichen.
Gäbe es kein Internet, gäbe es auch keine Threads, in denen sich wildfremde Leute begegnen, um verbal aufeinander einzuhacken.
Wir würden von den Ereignissen wohl durch die Presse erfahren, aber die Diskussionen würden sich nicht derartig und bis ins Hysterische hochschaukeln.
Auch hierin liegt eine Gefahr: Nämlich dass wir beginnen, denen zu misstrauen, die uns im täglichen, analogen Leben begegnen. Wir betanken uns mit Vorurteilen. Damit versauen wir uns das Leben.
Wozu denn in die Ferne schweifen, wenn das Gute liegt so nah?
Warum interessieren wir uns für Dinge, die sich in riesigen Entfernungen abspielen, die wir noch nicht einmal überprüfen können, an denen wir niemals teilnehmen werden – und warum interessieren wir uns nicht für unsere nächste Umgebung?
Dabei ist unsere eigene Lebenssphäre doch unendlich viel wichtiger – und vor allem: viel interessanter – für uns als jedes Ereignis, das sich am anderen Ende der Welt, von mir aus auch in nur 2 km Entfernung abspielt.
Wollen wir verdrängen? Uns selbst? Wenn wir dies tun, werden wir hohl. Urteilsfähigkeit kann nur aus praktischem Tun resultieren. Wir können nur beurteilen, was wir auch wirklich erleben, mit allen Konsequenzen.
Reden wir doch einmal mit unseren unbekannten Nachbarn! Was spricht denn dagegen? Die dem Homo Sapiens erlebbare Wirklichkeit ist schon immer analog gewesen, und so wird es auch immer bleiben. Digitales Wasser, Luft, Butter und Brot wird es niemals geben.
Die Technik muss dem Menschen dienen, nicht umgekehrt!
Als Erstes müssen wir (wieder) lernen, Verantwortung für uns selbst zu übernehmen. Vielleicht ist dies das Schwierigste von allem.
Mit den Nachbarn zu sprechen, mit den Kindern zu spielen wäre schon mal ein Anfang.
Eigentlich eine Selbstverständlichkeit.
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